Centre artistique morph-a-morph
Geschichte:
Im Jahr 1995, in Basel, begann ich, auf den Seiten meines Tagebuches regelmässig die Formen des Kaffeesatzes festzuhalten, den der türkische Kaffee nach dem Trinken in der Tasse bildet (die leergetrunkene Tasse wird umgedreht, mit der Öffnung nach unten in den Unterteller gestellt und einige Minuten stehen lassen, bis sich der Kaffeesatz zu immer neuen Formen verfestigt). Dieses zeichnerische Ritual erinnerte mich an die unzähligen mit Freunden getrunkenen Kaffees und die damit verbundene Atmosphäre in Sarajewo und in ganz Ex-Jugoslawien.
Ich fing an, mehr und mehr den Spuren der Kaffeesatzes zu folgen; ich hielt sie fest als Zeichnung, als Druckgrafik, als Fotografie (vor allem die Kaffeesätze von Freunden, die bei mir zu Hause türkischen Kaffee getrunken hatten, damit ich ihnen aus dem Kaffeesatz lese). Mit der Zeit entdeckte ich die Verwandtschaft anderer Flecken in der Natur und fing an, mich auch mit den Flecken auf dem Mond auf Moosen und Steinen zu befassen.
Im Jahr 1996, als ich durch die Altstadt von Basel spazierte, entdeckte ich ein Schild, das auf das älteste Institut in Europa hinweist, und neben diesem Schild eigenartige Flecken an der Hauswand. So ist spontan die Idee entstanden, ein eigenes künstlerisches Institut zu gründen, das sich mit Flecken auseinander setzt (ich hatte früher mehrere Jahre am Anatomischen Institut der Universität Sarajewo als Zeichner gearbeitet).
Später habe ich den Namen des Projekts geändert, nicht «Institut», sondern «Zentrum» sollte es heissen. Ich hatte plötzlich das Gefühl, ein «Zentrum» signalisiere mehr Offenheit für die künstlerischen Aspekte des Themas, während ein «Institut» zu sehr von der wissenschaftliche Seite dominiert wäre.
2000 wechselte ich meinen Wohnsitz in den Jura, wo wir ein Haus erworben hatten. Hier kam eine neue Facette dazu: Die Flecken auf Tieren, insbesondere auf dem Fell der Kühe, sprangen mir in die Augen. Immer mehr gewann ich die Überzeugung, dass die Natur ein Spiel spielt, und dass sie uns eigens dafür eine reiche und unendliche Vielzahl von Flecken bietet!
Idee:
Ich betrachte einen Fleck. Nach ein paar Minuten nimmt der unförmige Fleck in meinem Kopf Gestalt an, und es entstehen Formen, Symbole, Zeichen … Abgeleitet von der griechischen Wurzel «morphos» – Form – ist so der Name meines Zentrums Morph-a-morph entstanden. A-morph bedeutet wörtlich «ohne Form».
Beim Beobachten und Interpretieren von Flecken scheint mir oft, dass mein Geist dabei direkt mit dem Geist der Natur kommuniziert. Plötzlich weiss ich nicht mehr, ob ich es bin, der in den Flecken neue Formen entdeckt, oder ob die Natur mich dabei leitet.
Beim Betrachten der Mondflecken beispielsweise fühlte ich mich dem Geist unserer Vorfahren sehr nahe, welche vor Jahrtausenden schon den selben Mond beobachtet hatten. Einmal sind es die Flecken, die mich dazu inspirieren, darin Formen zu suchen, ein andermal sind es die in meinem Hirn gespeicherten Formen, welche eine amorphe Leerstelle in der Natur mit Sinn füllen.
Programm:
Ich studiere die Flecken, suche darin Symbole, Zeichen und Formen, und archiviere diese. Aus dieser Prozess heraus entstehen Zeichnungen, Malerei, Skulpturen, Fotos, Druckgrafik, Collagen, DVDs – kurz, alle Arten von künstlerischem Schaffen.
Meine Idee ist es, ein persönliches Lexikon der Symbole zu kreieren. Bis jetzt habe ich mich mit folgenden Flecken auseinandergesetzt:
•Kaffeesatz
•Moos
•Wolken und Schatten
•Mondflecken
•Flecken auf Kühen und anderen Tieren
•Archäologische Spuren
•Korkzapfen
•Schimmel und Fäulnis auf Früchten
•Linien in der Landschaft, Bergketten, Wasserläufe
•Zubereitungssupren auf Lebensmitteln
•Flecken auf Mauern und Steinen
•Altes Papier und rostige Metalle
•Astronomie in allen Varianten
•Zufallsbilder bei der Anordnung von Steinen, Löchern etc.
•Schneereste bei Tauwetter
•Rauch
•Flecken auf Wachteleiern
•etc.
Ich suche ständig nach neuen Inspirationsquellen. Immer wieder diese Parallele zwischen der Interpretation der Schöpfungen der Natur und meinem Geist auf der Suche nach neuen Zeichen und Symbolen …
Der Geist der Natur:
Seit vielen Jahren studiere ich die abstrakten Flecken im Kaffeesatz und von Strukturen in der Natur. Mein Geist versucht, darin Formen zu erkennen. Wenn es gelingt, so ist dieser Moment des Erkennens wie ein Aufblitzen, ein Funken. In letzter Zeit empfinde ich diesen Prozess gegenläufig: Aus meinen amorphen Gedanken bilden sich konkrete Formen und Symbole, wenn ich mich auf einen Fleck in der Natur fokussiere. Der Geist wird von aussen gesteuert, aber er arbeitet auch aus sich selbst heraus. In diesem Spannungsfeld stehe ich. Ich fühle mich wie eine Durchlaufstation des Geistes der Natur, eines Fluidums, und meine Aufgabe ist es, diesen Moment der Erkenntnis in Wort und Bild fest zu halten. Ich halte mit meiner Arbeit nicht nur einen Fleck fest, sondern auch einen Moment, einen Impuls aus dem Fluidum des Geistes. Liebt es die Natur, Überraschungen zu machen, schreibt sie geheime Codes, um uns neugierig zu machen, um uns zu necken? Um etwas in uns zu wecken? Spielt die Natur auf verschiedenen Frequenzen, und manchmal klingt etwas in uns an? Das Ganze erinnert mich an die alte chinesische Geschichte des Philosophen der einschläft und von einem Schmetterling träumt, und sich am Ende fragt, ob der Schmetterling nicht vielleicht ihn als schlafenden Mann träume … Spiele ich mit den Formen der Natur, oder spielt die Natur mit mir? Ich bin ein Teil von ihr, und ich bin auch ihr Resonanzkörper, Ich bin ein Teil von ihr, und ich bin ihre Projektionsfläche.. Wer ist der Wolf, der in den Spiegel schaut, und wer ist der Spiegel?